Studioleiter im Interview zu neuen Aware Systems für besseres Onboarding

Im Interview spricht Studioleiter Dr. Benedikt Gollan über die aktuelle Entwicklung eines Prototypen für besseres Training in der Einschulungsphase an komplexen Maschinen.

Zur Person:

Während seines Studiums der Elektro- und Informationstechnik and der TU München konzentriert sich Benedikt Gollan auf die Bereiche Merkmalserkennung und Machine Learning in den Anwendungsgebieten Computer Vision und Music Information Retrieval. In den vergangenen Jahren beschäftigt er sich intensiv mit der Analyse und Interpretation der menschlichen Aufmerksamkeit als Input für sogenannte „Aufmerksamkeits-Sensitive Systeme“. In Zusammenarbeit mit Prof. Ferscha hat er im Februar 2018 seine Doktorarbeit „Sensor-based Online Assessment of Human Attention“ an der Johannes Kepler Universität abgeschlossen und übernimmt nun die operative Leitung des Research Studios Pervasive Computing Applications.

Wie kam es dazu, dass Sie sich für Pervasive Computing Applications faszinieren konnten?

Mich fasziniert die Vision, die dem Konzept des Pervasive Computing zugrundeliegt, nämlich Technologie so intuitiv zu gestalten und soweit zu integrieren, dass sie nicht mehr als solche erkennbar ist. Bereits im Studium lag mein Schwerpunkt im Bereich der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine, und die Ansätze die wir hier im Studio Pervasive Computing verfolgen stellen, zu Ende gedacht und zu Ende gebracht, ein grundlegendes Redesign der Mensch-Maschine Kommunikation dar. Die Zukunft ist (scheinbar) nicht mehr mit Technik umgehen zu müssen, sondern sie wird uns unsichtbar umgeben und auf uns beinahe wie von Zauberhand reagieren.

Welche neuen Prototypen bauen Ihr Team und Sie gerade?

Wir arbeiten momentan an interaktiven Systemen die in der Lage sind nicht nur die Aktivitäten sondern auch die kognitive Zustände von Personen zu erkennen und daraus eine natürliche, menschen-ähnliche Interaktion zu ermöglichen. Konkret arbeiten wir an beispielsweise an industriellen Assistenzsystemen die durch Sensorik und Modellierung Problemsituationen erkennen können und nur im Problemfall eine Assistenz anbieten. Das Ziel ist eine zurückhaltende, respektvolle Technologielösung, die genau die richtige Assistenz im richtigen Moment liefert. Denn, nichts ist unangenehmer als eine ungefragte Einmischung durch ein technisches System.

Was wird dieser neue Prototyp können?

Als Ergebnis eines mehrjährigen Forschungsprojektes werden wir diesen Sommer bei unserem Projektpartner Fischer Sports ein Trainingssystem zum Anlernen neuer Mitarbeiter installieren, das auf optimale Weise den Lehrvorgang unterstützen soll.

Inwiefern wird dieser neue Prototyp existierenden Produkten am Markt überlegen sein?

Bisher ist es sehr kompliziert, komplexe Arbeitsprozesse technologisch zu unterstützen. Unser System kombiniert Verhaltensanalysen, Interpretation kognitiver Indikatoren, sowie ein Monitoring des Produktes zur Modellierung des Arbeitsfortschritts und der Arbeitsqualität. Dies bedarf einer ausgeklügelten Kombination verschiedenster Sensoren, Echtzeit-Datenverarbeitung ebenso wie Modellierung des Arbeiters basierend auf akademisch etablierter kognitiver Modelle. Solche Systeme sind aktuell noch nicht in industrielle Anwendungen vorgedrungen. Daher sind wir besonders stolz hier mit unseren Partnern der Zeit voraus zu sein.

Welche Probleme löst der neue Prototyp?

Der entwickelte technische Ansatz zielt auf mehrere Problemstellungen ab:

1. Ausbildung von Personal in akutem Fachkräftemangel

2. Qualitätsmanagement in der industriellen Produktion bei semiautomatisierbaren Prozessen

3. Prozessoptimierung und daraus auch Produktentwicklung durch umfassende Datenanalysen und

4. Nachhaltiges, normierbares Wissensmanagement im Betrieb.

Welche ist die wichtigste Komponente dieses neuen Prototyps?

Die wichtigste Komponente des Trainingssystems ist das zugrundeliegende modulare Attention-Aware Framework das momentan im Studio entwickelt wird. Dieses erlaubt eine schnelle Anpassung an neue Anwendungsszenarien und dadurch adaptierbare, individualisierte Assistenzlösungen für industrielle Partner.

Warum stellt dieser neue Prototyp einen Mehrwert für die NutzerInnen dar?

Die entwickelten Methoden ermöglichen sowohl die automatische Dokumentation von Qualitätsmanagement, als auch die Assistenz in diversen semi-automatisierten Bereichen, um damit die Prozess- und Produktqualität in der Produktion zu erhöhen.

 

Schlüsselpublikationen:

1. Gollan, B., & Ferscha, A. (2016). Modeling Pupil Dilation as Online Input for Estimation of Cognitive Load in non-laboratory Attention-Aware Systems. In COGNITIVE 2016-The Eighth International Conference on Advanced Cognitive Technologies and Applications.

2.  M. Haslgrübler*, P. Fritz, B. Gollan, A. Ferscha Getting Through – Modality Selection in a Multi-Sensor-Actuator Industrial IoT Environment Proceedings of the 7th International Conference on the Internet of Things, ACM, 8 pages, DOI: 10.1145/3131542.3131561, October 2017.

3. Gollan, B., Wally, B., & Ferscha, A. (2011). Automatic human attention estimation in an interactive system based on behaviour analysis. Proc. EPIA 2011.

4. M. Haslgrübler, M. Murauer, A. Ferscha Gazor: A gaze aware Industrial IoT-based Instructor Proceedings of the 7th International Conference on the Internet of Things, ACM, 2 pages, DOI: 10.1145/3131542.3140266, October 2017.

5. Gollan, B., & Ferscha, A. (2016). SEEV-effort-is it enough to model human attentional behavior in public display settings. Future Computing.