Salzburg – Immer mehr grüne Wiesen, die Neubauten zum Opfer fallen, und das, obwohl wir in der Pandemie gerade die Wichtigkeit von Grün- und Freiräumen erkannt haben. Ist der Bodenverbrauch unaufhaltbar oder gibt es Lösungsansätze für neue Wege in der Raumplanung? Diesen Fragen ging die Konferenz „Österreich verschwindet II“, veranstaltet von der Research Studios Austria Forschungsgesellschaft und der Ziviltechnikerkammer Oberösterreich-Salzburg, am 12. Oktober im Schloss Hellbrunn in Salzburg nach. Politische Vertreter*innen und wissenschaftliche Expert*innen diskutierten über Strategien gegen den Flächenverbrauch.
Wer sehen will, wieviel Boden in Österreich jeden Tag versiegelt wird, muss sich in der Regel nicht lange umschauen: Baustellen an jeder Ecke, große unberührte Grünflächen schwinden zusehends. 11,5 Hektar unversiegelter Boden sind es, die durchschnittlich jeden Tag verloren gehen – und der Flächenverbrauch ist dabei längst nicht mehr ans Bevölkerungswachstum gekoppelt: Seit der Jahrtausendwende ist der Bodenverbrauch fast dreimal so schnell gewachsen wie die österreichische Bevölkerung.
Auch wenn Salzburg mit im Vergleich geringen 0,1 Hektar hier Vorreiter beim „Bodensparen“ ist, ist auch hierzulande noch viel zu tun. Die Versiegelung der Böden reduziert nicht nur die für Erholung wichtigen Grünräume, sondern stellt auch für Umwelt und Klima ein wachsendes Problem dar. Ideen, wie damit umzugehen ist, wurden am 12. Oktober bei der Konferenz „Österreich verschwindet II“ in Salzburg diskutiert.
Die Liste der Vortragenden erstreckte sich von wissenschaftlichen Expert*innen über Architekt*innen bis hin zu politischen Entscheidungsträger*innen. Alle waren sich in einem einig: Das Zubetonieren von immer mehr einst grünen Flächen, das Verschwinden von Naturräumen und der dennoch gleichzeitige Mangel an erschwinglichem, gut angebundenem Wohnraum stellen ein großes Problem dar.
Der ORF-Moderator Tarek Leitner, der durch die Veranstaltung führte, wies in seinem Eröffnungsvortrag darauf hin, dass das freistehende Einfamilienhaus mit Garten in Österreich nach wie vor als die einzig ideale Wohn- und Lebensform gelte. Ein Ziel, das sich nicht für alle 8,9 Millionen Österreicher*innen ausgehen kann: Eine nachhaltige Raumplanung muss sparsam mit Ressourcen – auch Fläche – umgehen. Gleichzeitig stellte Leitner aber auch die Frage: Wo bleibt Platz für die Schönheit? Die Schönheit von Umgebung und Architektur verbleibe als ursprüngliches, menschliches Bedürfnis, das in der Raum- und Städteplanung genauso bedacht werden müsse.
Nachverdichten statt unbegrenzt wachsen
Im ersten Vortragsblock stellten Expert*innen aus Geoinformatik und Architektur bauliche und technische Lösungen vor, um mit Problemen wie geringer Flächenverfügbarkeit, hohem Energiebedarf oder Herausforderungen in der öffentlichen Mobilität umzugehen. Ein solcher technischer Lösungsansatz ist der Nachverdichtungsmonitor, ein Projekt der Research Studios Austria FG und der Stadt Salzburg. Nachverdichtung – ob durch das Aufstocken von Häusern oder die Errichtung von Zubauten oder zusätzlichen Wohngebäuden – bietet eine Möglichkeit, neuen Wohnraum zu schaffen ohne gleich auf „grünen Wiesen“ bauen zu müssen. Der Monitor ermöglicht es, das Potenzial für diese Nachverdichtungen in Städten berechenbar und sichtbar zu machen. Dabei müssen aber auch Faktoren wie Mobilität, energieeffiziente Sanierung und Lebensqualität berücksichtigt werden – wie auch die anderen Vorträge aufzeigten.
Problembewusstsein und weitgehende Einigkeit in der Politik
Der Fokus der zweiten Veranstaltungshälfte lag mehr auf der politischen Umsetzung der Raumplanung. So stellten etwa Landesrat Josef Schwaiger und Bürgermeister-Stellvertreterin Barbara Unterkofler von der ÖVP den Salzburger Weg in Land- und Stadtplanung vor. Bestehende Bauten sollen intensiver genutzt und die in den vorangegangenen Vorträgen ausgeführte Nachverdichtung regulatorisch erleichtert werden. Gesetzliche Vorgaben sollen die Schaffung von Wohnraum auf Supermärkten, den Ausbau von Dachböden, und die Senkung von Kauf- und Mietkosten für junge Familien ermöglichen.
In der anschließenden Podiumsdiskussion gab es dafür breite Zustimmung. Das Gespräch mit Stadträtin Martina Berthold (die Grünen), Bürgermeisterin Tanja Kreer (SPÖ), sowie Bürgermeister-Stellvertreterin Unterkofler und Landesrat Schwaiger, und auf Expert*innen-Seite Prof. Ingrid Krau (TU München), Dr. Thomas Prinz (RSA FG, Uni Salzburg), DI Max Mandl (Zivilingenieur für Raumplanung) und DI Dr. Andreas Schmidbaur (Raumplanung Stadt Salzburg) stieß bei den Teilnehmer*innen auf reges Interesse. Gegenwärtige Herausforderungen wurden genauso diskutiert wie mögliche Veränderungen im Mobilitätsverhalten durch Corona und zunehmende Homeoffice-Regelungen.
Alle Teilnehmer*innen waren sich ob des Stellenwerts, den die ressourcenschonende Raumplanung in Salzburg und darüber hinaus haben müsse, einig. Dr. Ingrid Krau, ehemalige Professorin für Stadtplanung an der TU München, mahnte jedoch auch, in der Nachverdichtung Vorsicht walten zu lassen. Gerade angesichts der Corona-Pandemie und mehrerer Lockdowns ist wohl vielen klar geworden, wie wertvoll Grün- und Freiräume auch in Städten sind. Auch Schönheit und Lebensqualität sind schließlich Faktoren, die in der Raumplanung berücksichtigt werden wollen.
Eine Aufzeichnung der Veranstaltung finden Sie hier.
Die Fotos der Veranstaltung finden Sie hier.
Alle Gäste nahmen ausschließlich unter Einhaltung einer kontrollierten 3G Regelung teil!